Veranstaltungen und Prozesse digital umsetzen
Ein Interview mit Melanie Klaes
Was bedeutet Digitalität eigentlich? Technisch verstehen wir darunter die Verwendung digitaler Verfahren und die Offline-Online Übersetzung von Prozessen. In diesem Sinne kann Digitalität auch Austausch und Kommunikation bedeuten. Es kann aber auch bedeuten, neue Wege zu beschreiten und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Das Jahr 2020 hat die meisten von uns auf eine harte Probe gestellt. Wir alle mussten uns an neue Umstände gewöhnen, persönliche Kontakte einschränken und uns an neue Regeln halten. Auch unsere Arbeit in der Agentur für Freundlichkeit wurde dadurch beeinflusst, denn was unsere Arbeit ausmacht, ist der menschliche Kontakt, der Austausch und die Gemeinschaftlichkeit. Aber Digitalität in Form von Online-Veranstaltungen, ‑Meetings oder Videokonferenzen hat uns neue Chancen geboten und neue Türen geöffnet in dieser herausfordernden Zeit. Wie wir als Agentur für Freundlichkeit diese Chancen genutzt und in unseren Arbeitsalltag integriert haben, indem wir Veranstaltungen und Prozesse digital umsetzen, erzählt unsere Trainerin Melanie Klaes.
Alternativ zum Textbeitrag finden Sie das Interview hier als Tonspur.
Judith Martens: Herzlich Willkommen zum heutigen Interview zum Thema Digitalität. Melanie, worin siehst du den Mehrwert, Veranstaltungen und Methoden digital umzusetzen statt darauf zu verzichten?
Melanie Klaes: Das will ich an einem Beispiel deutlich machen. Stellen wir uns hierzu ein Team vor, welches sich zu Beginn der Pandemie Corona-bedingt stark in Ihrer Arbeitsweise verändern musste, da es plötzlich mehrheitlich aus dem Homeoffice arbeitet. Durch die veränderte Arbeitsweise entsteht ein schlechterer Informationsfluss und dadurch wiederum Unstimmigkeiten. Während dies im März noch zu verkraften war, hat sich über die letzten 9 Monate jedoch ein richtiger Konflikt zwischen einzelnen Teammitgliedern entwickelt – man möchte sich nicht mehr hinterher rennen und die fehlende Abstimmung wirkt sich auch auf die Projekte aus. Aus kleinen Unstimmigkeiten hat sich über die Zeit ein großer Konflikt entwickelt. Hier liegt für mich der derzeitig wichtigste und entscheidendste Punkt: Wichtige Prozesse und Themen werden angegangen und nicht liegen gelassen. Daher kommt auch unser Leitspruch „Besser online als gar nicht“. Oftmals wird auf Online Treffen verzichtet, weil es „nicht das Gleiche“ ist und wichtige Aspekte der zwischenmenschlichen Wahrnehmung minimiert sind. Insbesondere in der momentanen Situation geht es jedoch darum, Alternativen zu finden, wie man trotzdem in einen Austausch und in Kontakt treten kann. Zwar werden in Zukunft meiner Meinung nach Videokonferenzen keinen vollständigen Ersatz zu persönlichen Treffen darstellen, jedoch zeigt sich schon heute, dass Onlinearbeit unsere Möglichkeiten vielfältig erweitert und es eher darum geht und gehen sollte: Wann ist welches Format passend und was sind die Alternativen.
Judith Martens: Wenn du Veranstaltungen dann digital statt in Präsenz umsetzt, welche Methoden haben sich dabei als erfolgreich erwiesen?
Melanie Klaes: Das ist vor allem abhängig von der Gruppengröße, online genauso wie in Präsenz. Unterschiedliche Teilnehmerzahlen und Zielgruppen benötigen einen unterschiedlichen Methodeneinsatz. Aber grundsätzlich sind unsere Methoden gut ins Digitale übersetzbar. Bei uns geht es immer um die Menschen und das Miteinander steht im Vordergrund. Dies lässt sich auch gut online in den Fokus rücken, indem wir vieles einfach halten.
Bei uns geht es immer um die Menschen und das Miteinander steht im Vordergrund.
Zum Beispiel ist ein gut moderierter Austausch im Plenum oft sehr ergebnisreich, aber auch Trainingseinheiten mit Feedback sind umsetzbar. Es können online Gruppenräume gebildet werden, in denen dann Themen gemeinschaftlich bearbeitet werden oder mit gegenseitigem Feedback gearbeitet werden kann. Was ebenfalls gut funktioniert, sind Brainstormings über Whiteboards, die von allen Teilnehmer*innen gleichzeitig beschrieben werden können. So kommen oft schnell viele und interessante Ideen zusammen und jeder kann sich beteiligen. Wir nutzen jedoch auch Methoden im Setting der Videokonferenz, die gar nicht so online sind wie Bewegungsmethoden, die zu neuen Ideen und mehr Kreativität führen. Dabei werden z. B. Paare gebildet, die eine Aufgabe bekommen und diese über das Telefon während eines Spaziergangs bearbeiten. Dann schreiben Sie anschließend ihre wichtigsten Ergebnisse auf dem Computer auf und zeigen diese dann wieder über die Bildschirmfreigabe in der Videokonferenz.
Judith Martens: Und wie hat sich der Weg zu diesen erfolgreichen Methoden gestaltet? Also wie leicht oder schwer fiel die konkrete Offline-Online Übersetzung der eben genannten Methoden?
Melanie Klaes: Grundsätzlich kann ich sagen, dass es uns leicht gefallen ist. Schon lange hatten wird den Wunsch, digitaler zu werden und virtuelle Möglichkeiten auszubauen. Die Technik und das entsprechende Equipment, wie Laptops mit Kamera, waren bei uns in der Agentur bereits vorhanden, da wir auf unseren Reisen zu unseren Kunden schon lange mobil arbeiten. Dies kam uns in diesem Jahr zu Gute. Dann haben wir Tools getestet, uns im Umgang mit diesen gefestigt und anschließend losgelegt. So wurde aus einem Seminar ein Onlineseminar und dann galt learning by doing mit anschließendem Erfahrungsaustausch untereinander. Und wie schon einmal erwähnt, steht der Mensch in unserer Arbeit im Vordergrund und nicht die Technik. Die Technik macht uns im Miteinander arbeitsfähig. Das Miteinander mit unseren Kunden und das gegenseitige Verständnis in diesem Jahr waren besonders schön zu erleben.
Judith Martens: Um noch bei der Umsetzbarkeit und deinen Erfahrungen zu bleiben: Was sind neben den Methoden geeignete Inhalte oder Themen für Online-Veranstaltungen?
Melanie Klaes: Grundsätzlich ist alles geeignet. Die Frage ist eher das Wie. Besonders gut funktioniert alles, was klassische Wissensvermittlung ist. Zum Beispiel Kommunikationsstrategien oder „Wie kann eine Onlinemoderation gelungen gestaltet werden?“. Aber auch klassische themenorientierte Workshoparbeit, in der ein Team zusammengebracht und sich gemeinsam Gedanken zu einem Thema gemacht wird, hat gut geklappt. Was überraschend gut funktioniert, sind Online Kennenlernen, 2er Gespräche oder auch Einzelcoachings. Ich hätte es selbst nicht gedacht, habe jedoch den Eindruck, dass sich im Videosetting von Zuhause aus einige Menschen sogar schneller wohlfühlen und öffnen.
Judith Martens: Gibt es vielleicht auch Inhalte, die nicht geeignet sind?
Melanie Klaes: Natürlich gibt es Unterschiede zum realen Beisammensitzen. Emotionen sind im Offline-Setting präsenter. Zum Beispiel im Bereich Konfliktmoderation und ‑mediation ist es zwar wichtig, diese zeitnah anzugehen, hier würde ich jedoch die offline Variante im direkten Vergleich vorziehen. Auch das Thema Körpersprache ist natürlich bei einer vor Ort Veranstaltung viel praxisnäher vermittelbar und trainierbar, da diese einfach besser wahrnehmbar und dadurch auch konkreter und individueller feedbackbar ist.
Judith Martens: Hast du in diesem Zusammenhang auch nach den Veranstaltungen Rückmeldungen bekommen und wenn ja, wie sahen diese aus?
Melanie Klaes: In der Regel sahen die Rückmeldungen sehr gut aus. In manchen Themen habe ich auch die Rückmeldung erhalten, dass man sich für das Wir-Gefühl und das Beisammensein lieber gemeinsam in einem Raum getroffen hätte. Aber man sei froh, die Veranstaltung dennoch gemacht zu haben. Diese Rückmeldungen sind natürlich verständlich und wichtig und ich sehe hier eine hohe Übereinstimmung im Erleben auf unserer und auf Kundenseite.
Judith Martens: Du hast jetzt schon angemerkt, dass es natürlich auch Themen gibt, wo die Offline Variante bei Möglichkeit die bessere Wahl ist. Oft hört man ja auch, dass Unternehmen oder Personen Angst davor haben, alte Strukturen aufzugeben, zum Beispiel auch in Form der Umstellung von Offline zu Online. Hast du solche Erfahrungen auch gemacht?
Melanie Klaes: Selbstverständlich. Es gibt Firmen, die technisch nicht ausreichend ausgestattet sind und deshalb noch nicht in diese Richtung mitziehen können. Zum Beispiel hat manchmal nicht jeder Mitarbeiter einen Computer. Aber bei vielen ist die technische Ausstattung vorhanden und trotzdem sind Sorgen da. Das ist aber normal und nicht zwingend ein Grund, Dinge nicht online umzusetzen. Typische Reaktionen sind: „Geht das? Ist das anstrengend?“ Vor allem aber auch die Angst vor der Technik bzw. der eigenen antizipierten Unfähigkeit mit der Technik umzugehen, begegnet mir immer wieder. Aber auch das liegt in der Natur der Sache, dass uns
Ungewohntes häufig Sorgen bereitet. Teilnehmer sind oft sehr ungeduldig mit sich selbst, wenn etwas nicht gleich funktioniert. Aber das sind Aspekte, denen wir zumindest mehrheitlich entgegenwirken können und die sich häufig schon nach einem ersten Termin legen. Denn wie sagt man so schön: Übung macht den Meister.
Judith Martens: Wie bereitest du dich auf sowas vor und wie gehst du damit um?
Melanie Klaes: Wichtig ist für mich, dass ich mich darauf einstelle, wie viel Erfahrung die Teilnehmer*innen bereits haben und dementsprechend die Methoden anpasse. Bezüglich der Technik bieten wir zum Beispiel vorab einzelne Technikchecks mit allen Teilnehmer*innen an. Wir haben auch Anleitungen und Tipps für die Nutzung der Plattformen erstellt. Was mich betrifft, kann ich auch von meiner Seite beeinflussen, wie die Teilnehmer*innen mit Problemen etc. umgehen. Ganz wichtig ist, Ruhe in der Moderation zu bewahren, denn das überträgt sich auf die Teilnehmer*innen. Vor allem in „Krisensituationen“, zum Beispiel wenn die Technik hakt oder Teilnehmer*innen aus der Konferenz rausfliegen, ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren und den Teilnehmern*innen zu signalisieren, dass Verbindungsprobleme passieren können und alles in Ordnung ist. Manchmal muss man Dinge aber auch einfach mit Humor nehmen. Ein Co-Moderator oder eine Technikassistenz ist zusätzlich immer ganz hilfreich. Dieser/Diese kann dann bei Fragen und technischen Hürden unterstützen.
Judith Martens: Das heißt, die meisten Bedenken sind eigentlich unbegründet und können durch einfache Vorbereitung und durch das richtige Maß an Offenheit für Neues vermieden und beseitigt werden?
Melanie Klaes: Unbegründet sind die Bedenken nicht unbedingt, aber ihnen kann mit Sicherheit entgegengewirkt werden. Also die Bedenken sind vorhanden und es kann zu Hürden kommen. Das möchte ich gar nicht klein reden. Emotionen sind immer berechtigt und ernst zu nehmen. Es ist jedoch für mich kein Ausschlusskriterium, dafür eine gemeinsame Videokonferenz auszuprobieren und oftmals ist es nach dem Nehmen erster Hürden besser geworden oder richtig gut gelaufen. Stellen wir uns z. B. vor, dass es jemand in einer Gruppenarbeit nicht schafft, während der Videokonferenz ein Dokument zu öffnen und anschließend zu teilen. Dann kann sich die Person auch Notizen auf einem Block machen, diese anschließend vortragen und ich als Moderatorin halte dann im Plenum die wichtigsten Punkte hierzu schriftlich fest. Es ist Flexibilität gefragt.
Judith Martens: Dann bedanke ich mich an dieser Stelle für das informative Gespräch und den Eindruck über deine Arbeit bei der Agentur für Freundlichkeit in der aktuellen Zeit! Hiermit verabschieden wir uns und wünschen Ihnen einen schönen Tag!